504/GWT

  Hanau, Germany / 1998
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01 TO BE LEFT IN LIMBO 2023

DOC 234—34/


DEUS:   088/26812—81
REX-13: 978-0882681/28

Luis Maria Sulzmann’s and Jan Trinkaus first joint presentation at the BOK Gallery begins with programmatic sentences: “The last thing I saw was a red herring, now I’m stuck in limbo” - "Das letzte, was ich sah, war ein roter Hering, nun stecke ich in der Vorhölle fest." The Dadaist linguistic images are based on American idioms, where the red herring means something like a false lead. Are such leads also meant to be laid in the exhibition? Possibly... The ambiguity of the words is reflected in the works shown, which include mutual cross-references that are not always easy to decipher.

The basis of mutual artistic approach is Sulzmann's work "to be left in limbo." The almost monochrome photo panels are not primarily about motifs: structures of a skull, a blue study of a woman, historicist ornamentation of an old portal. What they all share is a mysterious aura and a lot of atmosphere. Part of Sulzmann's concept is that the large formats are mounted in carefully lined-up stainless steel modules on the wall. The artist gives insight into his process: “First, I photograph motifs digitally, view them on the computer, and then photograph them analog again. Then it goes to the darkroom, where I experiment with exposure and development times on the film negative, add certain salts, and the like, resulting in solarized photo works, intentionally incorrect.” He doesn’t reveal much more about his experimental photographic art, which combines painterly depth and texture with restrained color. Curator Emily Pretzsch sums it up: "Sulzmann's artistic practice is rooted in an interest in atmospherically charged spaces. With a keen sense of perception and observation, he tries to capture moods with the medium of photography."

Sulzmann has sparked his fellow student and former roommate Jan's interest in such works and now invited him to respond with his own perspective. Trinkaus has absorbed the large formats, creating small-format paper works in response. His delicate and meticulously executed pencil drawings initially resemble blueprints and constructions, strongly utilizing the method of shelf-like tiering and parallel shifting. He now calls his series "The Case of the Red Herring." The trails he lays for the viewer include number sequences like 1-2-3-4 or 2-4-1-3, movement studies reminiscent of dance step diagrams, drawing ideas and their derivation. Regarding his typical style of serializing graphic structures and processing, he says: “Normally I work with specific templates, which is not the case here. I navigate my systematic and orderly approach through the intuitions and processes of Sulzmann's works, also into their proportions, moods, and movements. This involves quite a bit of intellectual effort.” Somehow, what one sees here recalls the connections between philosophy, art, and information theory of great thinkers like Werner Leinfellner. Trinkaus does not know him. Even if one does not fully understand his thought systems, one can still appreciate the fine aesthetics of his visual language and discover more and more relationships between the two styles. Their encounter is nothing less than the rare art of intelligent rapprochement, which one would wish to see more often in other areas of society as well.

Reinhold Gries





























In einem Raum die Arbeiten von zwei Künstlern, die auf den ersten Blick kaum unterschiedlicher sein könnten. Großfor- matige, monochrome Fotografien von Luis Sulzmann reihen sich an den Wänden aneinander und zeigen geheimnisvoll wirkende, nicht sofort fassbare Motive, umrahmt von kühlen, subtilen Edelstahlmodulen. Dazwischen kleinformatige Papierarbeiten von Jan Trinkaus, die ähnlich wie Baupläne geometrische Formen und zusammengesetzte Linien einer Konstruktion zeigen. Trotz dieser unterschiedlichen Formensprache bauen die beiden künstlerischen Praktiken in dieser Ausstellung aufeinander auf.

Luis fotografischer Prozess versucht die Atmosphäre einzufangen, die von Räumen, Objekten und ihrer Anordnung aus- geht. Es sind nicht nur die einzelnen Gegenstände, die eine bestimmte sinnliche Qualität besitzen, sondern vor allem ihre „Art der Zusammenstellung“1. Luis untersucht die strategische Platzierung von Objekten in Räumen mit spezifischen Licht-, Klang- und Temperaturverhältnissen und die Atmosphären, welche in diesen (Raum)Konstellationen entstehen. Wie wirkt ein kleines/großes Objekt in einem leeren/vollen/lauten/weiten Raum mit dunklen/hellen/kalten/warmen Verhältnissen? Bedrückend, einengend? Erleichternd, befreiend? Was rational und sprachlich schwer fassbar ist, erschließt sich uns intuitiv in dem Moment, in dem wir einen Raum betreten - wir nehmen darin einen schwebenden, atmosphäri- schen Zustand wahr, der von den genannten Verhältnissen und den dort befindlichen Objekten ausgeht. Diese sinnlichen Zusammenstellungen hält Luis durch seinen fotografischen Prozess fest. Die Situation wird zunächst digital festgehalten. Dieses digitale Abbild wird auf einen Bildschirm übertragen und anschließend abfotografiert - diesmal jedoch mit einer analogen Kamera. Der analoge Film wird mit experimentellen chemischen Verfahren entwickelt und schließlich digita- lisiert. Durch diesen Wechsel zwischen digitalem und analogem Medium und der chemischen Bearbeitung des analogen Films entstehen neue Abstraktionsverhältnisse, die die Atmosphäre einer Umgebung präsent werden lassen.

Seit sie sich im Hochschulumfeld kennenlernten, tauschen sich Jan und Luis als (Künstler-)Freunde stetig aus. In dieser Ausstellung ist genau dieser Austausch der Ausgangspunkt für Jans ausgestellte Arbeiten. Um tiefer in Luis fotografi- sche Prozesse eintauchen zu können, führte seine Recherche zunächst auf die Website https://luissulzmann.com. Doch genau hier - beim Anklicken der Links und dem wiederholten Eintreten in digitale Räume - fragt Jan: Lassen diese An- ordnungen, Verlinkungen, die „Art der Zusammensetzung“ der digitalen Räume eine Atmosphäre entstehen? Welches Gefühl wird evoziert, wenn sich hinter jedem Link eine ungewisse, noch geheimnisvolle Dichte an digitalen Objekten und Informationen verbirgt? Die Webdarstellung und die Menüpunkte werden von Jan in grafische Strukturen übersetzt. Die springenden Linien veranschaulichen die Vielschichtigkeit und Verlinkungen von Luis Website und (re)konstruieren damit die Atmosphären digitaler Räume.

Alles ist konstruiert: Umwelten, Gesetze und eben auch Atmosphären. Diese normativen und scheinbar rationalen Kons- truktionen erscheinen manchmal völlig willkürlich, sinnlos, ja irrational. In Jans künstlerischer Praxis ist es der Künstler selbst, der nach eigenen Regeln scheinbar rationale Konzepte entwirft. Aber wohin führen diese Linien? Zwar ist der Ausgangspunkt die Benutzeroberfläche einer Website- doch werden immer wieder neue Schemata definiert, die nach den Logiken des Künstlers die digitale Oberfläche abstrahieren. Jan führt uns auf unzählige, ja vielleicht falsche Fährten, die letztlich nicht den im Raum schwebenden und sinnlichen Zustand von (digitalen) Umgebungen repräsentieren, sondern vielmehr selbst zu atmosphärischen Konstruktionen werden.

Text von Dalwin Kryeziu